Seltene Erden sind der Kern fast aller elektronischer Alltagsgeräte. Mit dem erwarteten Wachstum in den Bereichen Windkraft und Elektromobilität dürfte der Bedarf danach in den kommenden Jahren noch einmal drastisch steigen. Derzeit ist vor allem China Hauptlieferant für Seltene Erden. Die EU-Kommission möchte ihre Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen deutlich verringern. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass bis 2030 15 Prozent des Bedarfs kritischer Rohstoffe aus Recycling gedeckt werden soll.
Zu den seltenen Erden gehören die Elemente Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium und das chemisch ähnliche Element Yttrium. Doch das Ziel wirkt zumindest derzeit noch in weiter Ferne. Laut der deutschen Leibnitz-Gemeinschaft würden gegenwärtig nur ein Prozent Seltener Erden recycelt. Es fehle an wirtschaftlich attraktiven und umweltfreundlichen Recycling-Methoden, sagt auch Dominik Schild vom Institut für Biotechnologie der Internationalen Management Centers und Fachhochschule Krems (IMC FH Krems). Ab einer bestimmten Größe lasse sich Elektroschrott nicht mehr händisch sortieren. Seltene Erden kommen jedoch nur in kleinen Mengen vor und könnten somit nicht einfach entnommen werden. Sie werden im Normalfall gemeinsam mit Keramik-, Kunststoff- und anderen Metallresten geschreddert und deponiert.
Das Team der FH Krems forscht gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Třeboň, der Universität für Weiterbilung Krems und der Karl Landsteiner Privatuniversität an einer Methode, um die wertvollen Metalle wieder der Produktion zuführen zu können. Dabei haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter einen vielversprechenden Verbündeten im E.coli-Bakterium gefunden. Die natürlicherweise im menschlichen Dickdarm vorkommenden Bakterien, auch Kolibakterien genannt, können Seltene Erden aufnehmen.
Der geschredderte Elektroschrott wird den Bakterien dafür in Säure gelöster Form zugeführt. Die Bakterien nehmen die Seltenen Erden anschließend ins Zellinnere auf, teilweise bleiben die Erden auch auf der Zellwand haften. Warum die Bakterien die Metalle aufnehmen, ist auch in der Wissenschafts-Community noch umstritten. Die wahrscheinlichste Erklärung sei, dass die Bakterien nicht chemisch unterscheiden können, ob es sich um für sie nützliche Stoffe wie Magnesium oder Kalzium handelt oder um Seltene Erden, so Schild.
Fest steht, im Labor funktioniert die Methode, ohne dass dabei die Bakterien geschädigt werden. In zahlreichen Versuchen mit verschiedensten Bakterien habe man letztlich die erstaunlichsten Erfolge mit Kolibakterien erzielt, berichtet Schild. „Kolibakterien waren unsere Testsieger, die haben eine Aufnahme bis 85 Prozent geschafft.“ Darüber hinaus bestechen die Darmbakterien durch ihre hohe Verfügbarkeit: Sie sind leicht zu kultivieren, günstig und vor allem wissenschaftlich bereits ausführlich beschrieben.
Die Bakterien wachsen nun eine gewisse Zeit im Reaktor und haben dabei die Gelegenheit, Seltene Erden aufzunehmen, anschließend werden die Zellen mechanisch aufgebrochen. „Dann haben wir Biomasse und die metallische Form der Seltenen Erden“, erklärt Schild.
Um die verschiedenen Metallarten nun voneinander zu trennen, arbeiten die Forscherinnen und Forscher an der IMC FH Krems unter anderem mit elektrochemischer Abscheidung. Dafür kommen die Metalle in ein Elektrolysebecken. Darin werden die positiv geladenen Metallionen von der negativ geladenen Kathode angezogen. Je nachdem welche Spannung (Potential) angelegt wird, scheiden sich unterschiedliche Elemente an der Kathode ab.
Bis die Forschungsergebnisse aus dem Labor in der Industrie zur Anwendung kommen, wird es jedoch noch dauern. Schild rechnet mit einem ersten industriellen Prototypen gegen Ende des Jahrzehnts. Einige Abfallbetriebe in Niederösterreich hätten allerdings bereits erstes Interesse bekundet, heißt es.
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