Am 4. Dezember wurde mit -25,4 Grad die bisher tiefste Temperatur des Winters in Liebenau-Gugu an der oberösterreichisch-niederösterreichischen Grenze gemessen, während es in Schwarzau im Freiwald (Bezirk Gmünd) -24,2 Grad waren. Erst seit kurzem gibt es verlässliche Messdaten für den Freiwald, da der Meteorologische Dienst Geosphere Austria im vergangenen Jahr drei neue Messstationen in der Region aufgestellt hat. Bislang ging man allgemein davon aus, dass das Ennstal oder der Lungau die kältesten Regionen Österreichs sind, sagt Meteorologe Marco Kopecky von Geosphere Austria. Die aktuellen Messungen zeigen nun jedoch, dass im Freiwald noch tiefere Temperaturen vorkommen.
Im Herbst 2022 nahm Kopecky die erste Messstation in Schwarzau in einer Senke in Betrieb. Schnell wurde deutlich, dass die gemessenen Temperaturen immer wieder weit unter denen der umliegenden Messstationen liegen. 2023 investierte Geosphere dann in zwei weitere Messstationen in Liebenau-Gugu (Bezirk Freistadt/Gmünd) und Oberlainsitz (Bezirk Gmünd), ebenfalls in Senken. Beide Orte waren mit -23 bzw. -22 Grad zuletzt am 8. Dezember die kältesten Orte Österreichs.
Verantwortlich für diese tiefen Temperaturen ist ein besonderes Waldviertler Wetterphänomen: die sogenannten Kaltluftseen. Der Freiwald ist laut Kopecky dafür prädestiniert. Kalte Luft ist schwerer als warme Luft und sinkt in kalten Nächten an den sanften Hängen des Freiwalds in die Senken, wo sie sich sammelt. Für die Entstehung eines Kaltluftsees sind eine sternenklare Nacht, ein breites Tal mit sehr schwachem Gefälle und schwacher Wind notwendig, sonst wird die Luft durchmischt und beim Auskühlen gestört.
Wenn die Bedingungen stimmen, können in den Kaltluftseen Temperaturen bis -30 Grad gemessen werden. Dieses Phänomen ist jedoch äußerst kleinräumig, denn schon am Rande von Senken können die Temperaturen mehr als 15 Grad wärmer sein. Ein gutes Beispiel ist die Messstation in Weitra (Bezirk Gmünd), sagt Kopecky: Da die Stadtgemeinde auf einem Hügel liegt, ist es dort wesentlich wärmer als in den Senken. Am 8. Dezember waren es -22 Grad in Oberlainsitz und nur noch -3 Grad im sieben Kilometer entfernten Weitra.
Kaltluftseen existieren jedoch nur wenige Nachtstunden lang und verschwinden schnell, wenn das Tageslicht die Luft erwärmt oder Wind oder aufziehender Nebel die Lufttemperatur reflektieren. Binnen Minuten kann das Thermometer nach oben klettern. An der Messstation Liebenau-Gugu maßen die Meteorologen am 8. Dezember um 4:30 Uhr eine Temperatur von -23 Grad; kurze Zeit später fiel der Wind ein, und um 6:00 Uhr zeigte das Thermometer nur noch -9,4 Grad an.
Kaltluftseen können auch im Sommer für Frost sorgen. Im Freiwald kann es sogar im Hochsommer vorkommen, dass die Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Die neuen Messstationen der Geosphere Austria im Freiwald sollen nun präzise Daten für die weitere Erforschung des Naturphänomens liefern und die Wettervorhersagen für die Region verbessern.
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