In Hanglage am Steindl in Krems errichtet ein österreichischer Bauträger ein Villendorf bestehend aus sieben Häusern mit 62 Eigentumswohnungen. In einem Wintermonat werden für diese Baustelle rund 7.000 Kilowattstunden Strom benötigt: 49 Prozent machen die Geräte aus – vom Winkelschleifer bis zur Bohrmaschine –, 45 Prozent die beheizten Container, in denen sich das Baubüro und die Aufenthaltsräume befinden, und sechs Prozent die Baukräne.Zumindest der Verbrauch der Baukräne und zum Teil auch jener des Baubüros könne mittlerweile mit selbst auf der Baustelle produziertem Strom abgedeckt werden, sagt Manfred Wachtler, der für den Technikbereich zuständige Vorstand bei der SÜBA AG. Möglich ist das mit Hilfe von acht Windturbinen, die in etwa 30 Meter Höhe auf einem Kran installiert sind. Die Turbinen, die von einem deutschen Spin-off der TU Berlin hergestellt werden, haben einen Durchmesser von je 1,7 Metern und würden „bei gutem Wind“ jeweils rund 1.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen, so Wachtler. Insgesamt entspreche das dem Stromverbrauch von zwei Haushalten im Jahr.Autarke Baustelle als Ziel„Die gesamte Baustelle lässt sich mit den acht Windturbinen nicht versorgen, aber wir arbeiten an einem Konzept, wie wir Windturbinen gemeinsam mit Photovoltaik und einem Wasserstoffgenerator einsetzen“, so Wachtler. Das Ziel sei, „in Form eines Inselbetriebs“ eine Baustelle „mehr oder weniger autark“ zu versorgen. Der Strom, den die Windturbinen außerhalb des Baustellenbetriebs, am Wochenende etwa, erzeugen und der somit nicht sofort benötigt wird, fließt schon jetzt in einen mobilen Speicher, der sich unterhalb des Krans befindet, und kann je nach Bedarf verwendet werden.
Acht Windturbinen, die auf einem Kran befestigt sind, liefern Strom für die BaustelleDie Idee an sich ist nicht neu. In Tirol hat die ASFINAG heuer Windturbinen auf einer Autobahnbrücke installiert und versorgt damit eine Mautstation – mehr dazu in Strom aus Windturbinen an Europabrücke (tirol.ORF.at; 16.5.2023). In Stockerau (Bezirk Korneuburg) hat die SÜBA AG das System erstmals auf einer Baustelle in einem Pilotversuch getestet. In Krems kommt es nun zum zweiten Mal auf einer Baustelle zum Einsatz, weitere Projekte dürften folgen.Das Unternehmen verzichte seit fünf Jahren auf fossile Energieträger und setze nur erneuerbare Energieträger – Geothermie, Bauteilaktivierung, Photovoltaik oder Eisspeicher – auf den Baustellen ein, sagt der für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zuständige Vorstand, Heinz Fletzberger, im Gespräch mit noe.ORF.at. „Da war es nur logisch, dass wir versuchen, nicht nur im Betrieb, sondern auch auf der Baustelle klimaschonend zu agieren“, so Fletzberger. Als erster Bauträger Europas habe man daher Windturbinen eingesetzt, um auf der Baustelle „grünen“ Strom erzeugen zu können.Nachhaltigkeit für Käufer immer wichtigerAls Unternehmen treibt einen aber freilich nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke an. Einerseits spare man Stromkosten, andererseits bringe der Einsatz von Windturbinen mittlerweile auch Vorteile bei der Verwertung der Immobilien, sagt Fletzberger. „Wir merken, dass es immer mehr zunimmt, dass sowohl Käufer als auch Mieter auf diese Dinge achten. Im Betrieb soundso, weil wir mit unseren Systemen heizen und kühlen können und dadurch Einsparungen durchführen können. Ich glaube aber auch, dass solche Dinge, dass wir auf der Baustelle grünen Strom erzeugen, durchaus auffallen und wir einen USP (Alleinstellungsmerkmal, Anm.) im Verkauf haben, weil wir uns von anderen unterscheiden.“An die Käuferinnen und Käufer der Wohnungen könne man die Kosten für die Windturbinen nicht weitergeben, wird betont. „Es gibt leider noch keine Förderungen“, so Vorstand Manfred Wachtler, „wir hoffen aber, dass von der Politik mehr Fokus darauf gelegt wird, Baustellen mit nachhaltigem Betrieb mit Fördergeldern zu versorgen.“ Mit rund 7.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche – das entspricht 700.000 Euro für eine 100-Quadratmeter-Wohnung – liegen die Immobilien im oberen Preissegment. Das Villendorf soll im August 2024 fertiggestellt sein.
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